Im Jahr 2019 wurde die Integrierte Versorgung prosper und proGesund der KNAPPSCHAFT 20 Jahre alt. Zwei Jahrzehnte Netzarbeit werden getragen von derzeit rund 2.000 niedergelassenen Netzärztinnen und Netzärzten, den Medizinerinnen und Medizinern in 19 Netzkrankenhäusern sowie von rund einer Viertelmillion teilnehmenden Versicherten, die in acht regionalen Netzen eine integrierte Vollversorgung verwirklichen.
Die KNAPPSCHAFT stand bereits Ende der 1990er Jahre vor den Herausforderungen, die das deutsche Gesundheitswesen heute kennzeichnen: Die Alterung der Bevölkerung führt zu einer Ausweitung des chronischen und multimorbiden Erkrankungsspektrums und damit zu einem steigenden Behandlungsbedarf. Dieser bewirkt zusammen mit durch den medizinisch-technischen Fortschritt ausgeweiteten Behandlungsmöglichkeiten einen anhaltenden Kostenanstieg. Gleichzeitig ist das Gesundheitswesen durch sektorale Gliederung geprägt, die zu Brüchen in den Versorgungsabläufen bis zur fragmentierten Versorgung und somit zu Effizienz- und Effektivitätseinbußen sowie Qualitätsverlusten führt.
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR-Gesundheit) schlägt bereits seit der zweiten Hälfte der 90er Jahre regelmäßig in seinen Gutachten die Etablierung von integrierten Versorgungsstrukturen zur Lösung dieser Probleme vor. Er hat wiederholt dafür plädiert, dass sich Krankenkassen und Leistungserbringer verschiedener Versorgungsbereiche sektorenübergreifend zu integrierten Versorgungsnetzen zusammenschließen, um durch Kooperation, Koordination und Kommunikation Effizienz und Effektivität der Versorgung zu steigern. Der Fokus war die Verzahnung der ambulanten und stationären Leistungserbringung.
Diesen Weg beschreitet die KNAPPSCHAFT bereits seit 1999 und damit schon vor Einführung der Integrierten Versorgung durch den Gesetzgeber. Auf Grundlage des traditionellen knappschaftlichen Verbundsystems schlossen sich damals die knappschaftliche Krankenversicherung, das Knappschaftskrankenhaus Bottrop und Knappschaftsärzte der Region zur sektorenübergreifenden Zusammenarbeit im ersten prosper-Netz Bottrop unter dem Projekt-Titel „Re-Vitalisierung des Verbundsystems“ zusammen. Heute ist die Integrierte Versorgung der KNAPPSCHAFT auf acht Netze angewachsen, Krankenhäuser in unterschiedlicher Trägerschaft und niedergelassene Ärzte nehmen teil.
Der Gesetzgeber kam den Vorschlägen des SVR-Gesundheit nach und schuf die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen für Leistungserbringer und Krankenkassen, indem er die Integrierte Versorgung mit der GKV-Gesundheitsreform im Jahre 2000 einführte und sukzessive mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz 2004 und dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz 2007 „umsetzungsfreundlicher“ gestaltete und mehr Kooperationsmöglichkeiten schuf. Verträge der Integrierten Versorgung können sich auf einzelne Indikationen beziehen oder das komplette Versorgungsspektrum in einem Vollversorgungskonzept abbilden. Laut SVR-Gesundheit ist den bevölkerungsbezogenen, indikationsübergreifenden Konzepten mit Flächendeckung, die sich an alle Versicherten einer Kasse in einer Region richten, Vorzug zu geben. Sie sind zwar aufgrund der Komplexität des Versorgungsgeschehens schwerer umzusetzen, zugleich aber sinnvoller, da nur sie eine umfassende Verbesserung der Versorgungsqualität ermöglichen.
Die KNAPPSCHAFT setzt diese Forderung mit ihren regional klar abgegrenzten Vollversorgungsnetzen um. Sie schließt mit Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten auf freiwilliger Basis selektive Verträge. Die Versicherten treten der Netzversorgung ebenfalls freiwillig bei. Indem Netzversicherte innerhalb der Netzstrukturen versorgt werden, können Leistungserbringer sektorenübergreifend und innerhalb der Sektoren enger und intensiver zusammenarbeiten und die Versorgung koordinieren.
Gemeinsam mit den Netzärzten entwickelt die KNAPPSCHAFT medizinisch und wirtschaftlich sinnvolle Versorgungskonzepte, wobei Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung immer gleichrangig verfolgt werden. Federführend bestimmen die Netzärzte die Inhalte der Netzarbeit in Arbeitsgruppen, entwickeln Therapie- und Medikamentenempfehlungen, stimmen Behandlungspfade ab und arbeiten dabei konsequent mit den Medizinern der Netzkrankenhäuser zusammen. Innerhalb eines Netzes entwickelte Konzepte können nach Prüfung in andere Netze transferiert werden. Die Versorgungsqualität wird durch die Qualitätszirkel sichergestellt.
Gesundheitsnetze prosper und proGesund der KNAPPSCHAFT
Prosper und proGesund steht finanziell auf solidem Boden. Seit 2009, in dem die Erfolgsrechnung letztmalig grundlegend überarbeitet wurde – die Einführung des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs gab damals den Anlass –, ist der jährlich errechnete Erfolg im Mittel stabil mit zuletzt wieder steigender Tendenz.
Entwicklung der Netzerfolge
Neben dem fiskalischen Aspekt ist der Aspekt der Versorgungsqualität bei prosper und proGesund von großer Bedeutung. Insbesondere die Messung und Gestaltung der Versorgungsqualität ist aktuell Gegenstand der strategischen Weiterentwicklung von prosper und proGesund. Die Gründe hierfür sind evident. Unsere Versicherten interessieren sich für eine gute Versorgung zu einem fairen Preis. Aber was ist eine gute Versorgung? Dies lässt sich nicht direkt messen, dazu bedarf es geeigneter Kennzahlen. Medizinische Fachgesellschaften und Versorgungsforscher haben in der Vergangenheit eine Reihe an Vorschlägen erarbeitet, die als evidenzbasierte Qualitätsindikatoren inzwischen Praxistauglichkeit erreicht haben.
Im Jahr 2019 wurde ein Pretest in ausgewählten Netzen und Praxen unserer Gesundheitsnetze durchgeführt. Behandelt wurden Indikatoren zu den Themen Prävention (Fehlende Influenza-Impfung und Beratung zur Sturzvorbeugung) und Disease-Management-Programme (Förderung der Einschreibung). Die Resonanz unter den Netzpraxen war positiv, so dass dieser Weg konsequent fortgesetzt und zu einer weiteren festen Säule der Netzversorgung ausgebaut wird. Unser Ziel ist es, durch Präventionsförderung mittelfristig den Erfolg unserer Gesundheitsnetze weiter auszubauen.
Nahezu alle Bereiche der Wirtschaft befinden sich aufgrund der Digitalen Transformation in einem gewaltigen Umstrukturierungsprozess. Auch Medizin und Gesundheitswirtschaft sind hiervon betroffen, insbesondere weil Big Data, Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen neue Erkenntnisse über Entstehung, Verlauf und Therapie von Erkrankungen versprechen. Vielschichtige Datenanalysen sollen bessere Diagnostik und passgenauere Therapiemethoden für eine individualisierte Medizin ermöglichen.
Die Entwicklung zur „Individualisierung“ ist ein generelles Merkmal der Digitalen Transformation. Durch digitale Angebote und Dienstleistungen rückt der Kunde immer mehr ins Zentrum. Kundenbindung und Kundengewinnung durch Kundenzentrierung ist die dominierende Strategie. Die großen Player unter den Krankenkassen haben ihren Kurs in diese Richtung gesetzt. Das Mittel der Wahl hierfür sind kassenindividuelle Lösungen rund um die elektronische Patientenakte, kurz ePA, deren flächendeckende Einführung im Jahr 2021 gesetzlich vorgeschrieben ist.
Das sind Umwälzungen, die nicht ohne Auswirkungen auf das Versorgungsmanagement – und damit auch auf die integrierte Versorgung – einer Krankenkasse bleiben werden. Indes ist die Entwicklungsrichtung gegenwärtig noch offen. Erkennbar sind Tendenzen zur Stärkung telemedizinischer Betreuungsangebote bis hin zum Ärzte-Chat, beispielsweise bei der Behandlung der Herzinsuffizienz oder der Psychotherapie. Dennoch zeigt sich auch bei den digitalen Ansätzen des Versorgungsmanagements, dass der „Influence“ eher über die Schiene „Kasse – Patient – Arzt“ erfolgt, während in der bisherigen, „analogen“ Variante der Weg „Kasse – Arzt – Patient“ verfolgt wird. Aus Kassensicht gewinnt auch hier das Thema „Kundenzentrierung“ mehr Gewicht, insbesondere durch die Patientenstärkung („Empowerment“). Bisher steht die „Leistungserbringerzentrierung“ noch im Vordergrund. Es bleibt offen, wie sich dieser Bereich zukünftig entwickeln wird, wie ein „digitales“ Gesundheitsnetz prosper und proGesund aussehen wird. Die KNAPPSCHAFT wird zusammen mit ihrem medizinischen Kompetenznetz gute Lösungen im Sinne ihrer Versicherten und Patienten konsequent verfolgen.