Die Sozialwahl ist die drittgrößte Wahl in Deutschland – nach der Bundestagswahl und der Europawahl. Sie feierte im Jahr 2023 ihr 70-jähriges Jubiläum. Das „Selbstverwaltungsgesetz“ aus dem Jahr 1951 hat dazu die Grundlage gelegt – es war eines der ersten sozialpolitischen Gesetze der Nachkriegszeit.
Bei den Sozialwahlen werden alle sechs Jahre die Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane der Sozialversicherungsträger in der Renten-, Unfall-, Kranken- und Pflegeversicherung gewählt. Im Jahr 2023 fand die 13. allgemeine Sozialwahl in Deutschland statt.
Sozialwahlen haben in Deutschland eine lange Tradition. Sozialversicherung, Selbstverwaltung und die Wahlen zur Selbstverwaltung gehörten schon immer zusammen. Frühformen lassen sich in den Knappschaften bereits vor fünf Jahrhunderten nachweisen. Gewählte Knappschaftsälteste (heute Versichertenberaterinnen und Versichertenberater) haben hier ihren Ursprung.
1883 fanden die ersten Krankenkassenwahlen statt und waren die Urform der heutigen Sozialwahlen. Jedes anwesende Kassenmitglied schrieb im Rahmen einer Generalversammlung auf einen leeren Stimmzettel so viele Namen wie Vorstandssitze zu vergeben waren. Gewählt waren diejenigen Personen, deren Namen am häufigsten genannt wurden. Dies lässt sich als eine Frühform der „Friedenswahlen“ beschreiben, wie sie noch heute in der Sozialversicherung in Deutschland verbreitet sind – auch bei der Knappschaft-Bahn-See werden bis heute „Friedenswahlen“ durchgeführt.
Moderne „Friedenswahl“ bei der Knappschaft-Bahn-See bedeutet, dass von den vorschlagsberechtigten Organisationen nicht mehr Bewerberinnen und Bewerber benannt wurden, als Mitglieder in der Vertreterversammlung zu wählen sind. In diesem Sinne haben die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE), die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) – als Listenträger für die Gruppe der Versicherten – sowie die Vereinigung Rohstoffe und Bergbau e.V. (VRB) – als Listenträger für die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber – insgesamt 30 Mitglieder für die Vertreterversammlung benannt.
Bei den ersten Krankenkassenwahlen von 1883 waren – aktiv und passiv – alle Kassenmitglieder wahlberechtigt, also auch Frauen. In den Krankenkassen begann 1883 das Frauenwahlrecht in Deutschland, also Jahrzehnte vor dem politischen Frauenwahlrecht, dass es in Deutschland erst ab 1918 gab.
Hieran lässt sich erkennen, wie fortschrittlich die deutsche Sozialversicherung schon immer war und wie sie auch gesellschaftspolitisch gewirkt hat. In der Selbstverwaltung der Sozialversicherung war der Versicherte von Beginn an nicht nur Leistungsempfänger, sondern immer auch Teilnehmer – ebenso die Arbeitgeber in ihrer Funktion als Beitragszahler und Gestalter. Die Sozialversicherung hat die Partizipation zur politischen Kultur erhoben. Damit ist die Selbstverwaltung ein Grundstein unserer Demokratie.
Die Selbstverwaltung trifft alle wichtigen Richtungsentscheidungen, sie bestimmt über die Gesamtausrichtung des Sozialversicherungsträgers – sie beschließt den Haushalt, entscheidet über Qualität, Leistungen, Kundenservice, Zusatzbeitrag in der Krankenversicherung, über Innovationen und trifft alle Entscheidungen von grundsätzlicher Bedeutung. Der Gesetzgeber legt den Rahmen fest. Die Selbstverwaltung füllt den Rahmen mit Leben aus. Allerdings haben die gesetzlichen Rahmenbedingungen den Handlungsspielraum der sozialen Selbstverwaltung in den letzten Jahren beschränkt – wie zum Beispiel die Eingriffe in die Finanzautonomie mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz oder jüngst der Versuch des Eingriffs in die Organisationshoheit und Eigenständigkeit der einzelnen Rentenversicherungsträger im IT-Bereich mit der Umsetzung der europäischen Vorgaben für die IT-Sicherheit auf nationaler Ebene.
Nach der Sozialwahl 2023 ist die Vertreterversammlung der Knappschaft-Bahn-See weiblicher und jünger geworden. Die Vertreterversammlung besteht aus 30 Mitgliedern. Mehr als die Hälfte sind neue Mitglieder. Der Frauenanteil liegt bei 43 Prozent, der Altersdurchschnitt beträgt 51 Jahre; 37 Mitglieder und stellvertretende Mitglieder wurden neu gewählt.
Bezüglich der Geschlechterquote hat der Gesetzgeber eine Vorgabe in Höhe von 40 Prozent gemacht. Bei den gesetzlichen Krankenkassen war sie zum ersten Mal verpflichtend, bei den Rentenversicherungsträgern, zu denen auch die Knappschaft-Bahn-See zählt, war sie eine Empfehlung. Mit 43 Prozent hat die KBS die Quote erfüllt. Die KBS nimmt Gleichstellung und Diversität ernst.
Die konstituierenden Sitzungen der Vertreterversammlung und des Vorstandes der Knappschaft-Bahn-See haben Ende September 2023 stattgefunden. Im Rahmen der Sitzungen sind unter anderem die Mitglieder und Stellvertreterinnen und Stellvertreter der Regionalausschüsse, der Widerspruchsausschüsse und die Versichertenberaterinnen und Versichertenberater gewählt worden. Zur Selbstverwaltung der Knappschaft-Bahn-See gehören bundesweit insgesamt über 800 ehrenamtlich Tätige.
Zur neuen Vorsitzenden der Vertreterversammlung wurde aus der Gruppe der Arbeitgeber Maike Matthiessen gewählt. Sie ist Leiterin Gesundheit und Soziales der Deutschen Bahn AG. Als alternierender Vorsitzender der Vertreterversammlung wurde Robert Prill aus der Gruppe der Versichertenvertreter im Amt bestätigt. Der satzungsmäßige Wechsel im Vorsitz erfolgt jährlich zum 1. Oktober.
Auch im Vorstand gibt es Veränderungen. Birgit Biermann wurde zur neuen Vorstandsvorsitzenden aus der Gruppe der Versicherten gewählt. Sie ist Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands und seit September 2023 stellvertretende Vorsitzende der IGBCE. Als alternierender Vorstandsvorsitzender wurde als Arbeitgebervertreter Michael Weberink bestätigt. Wie in der Vertreterversammlung findet der satzungsmäßige Wechsel im Vorsitz jährlich zum 1. Oktober statt.
„Die Selbstverwaltung ist ein unverzichtbares Strukturelement der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See. Sie macht die Entscheidungen der Verwaltung sozial und lebensnah, bringt die Erfahrungen der Versicherten der Verwaltung nahe und verbindet Versicherte, Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber und Verwaltung miteinander. Wir müssen allerdings weiterhin aufpassen, dass sie durch staatliche Überreglementierung nicht ausgehöhlt wird und ihr Kompetenzen entzogen werden.“
Maike Matthiessen, Vorsitzende der Vertreterversammlung
„Vertreterversammlung und Vorstand werden in den nächsten Jahren weiter gemeinsam die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See als einen der großen deutschen Sozialversicherungsträger lenken. Mit Blick auf die aktuelle Gesetzgebung insbesondere im gesundheitspolitischen Bereich bleiben die Herausforderungen groß. Wir werden unsere Gestaltungsspielräume zum Wohle unserer Versicherten und Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber nutzen.“
Birgit Biermann, Vorsitzende des Vorstandes
Nach den Sozialwahlen 2023 sind folgende Personen Mitglieder der Vertreterversammlung und des Vorstandes (Stand: 31. Dezember 2023):
Maike Matthiessen
Alternierende Vorsitzende
(Arbeitgebervertreter)
Robert Prill
Alternierender Vorsitzender
(Versichertenvertreter)
Arbeitgebervertreter*innen:
Rukiye Bahadir
Peggy Blaha
Dr. Peter Breckling
Dr. Franz-Josef Eder
Manuela Giesenhaus
Dr. Stefan Grüneklee
René Hogrefe
Julia Hübenthal
Gabriele Korte
Jürgen Kunz
Oliver Lohtsträter
Maike Matthiessen
Deina Rehermann
Susanne Wiedmann
Gunter Wolf
Versichertenvertreter*innen:
Thomas Bock
Andreas Detemple
Philipp Göthel
Marion Hackenthal
Lars Halbleib
Kerstin Hanke
Beate Hanna
Andreas Näser
André Nagel
Robert Prill
Gisbert Schöne
Sebastian Schott
Steffen Wanke
Christian Welter
Daniela Zimmer
Michael Weberink
Alternierender Vorsitzender
(Arbeitgebervertreter)
Birgit Biermann
Alternierende Vorsitzende
(Versichertenvertreterin)
Arbeitgebervertreter*innen:
Joachim Henrich
Stefan Hemmert
Thomas Kahler
Michael Kalthoff
Silke Lehmköster
Mandy Mandery-Mross
Peter Schrimpf
Michael Weberink
Christoph Wehner
Versichertenvertreter*innen:
Birgit Biermann
Ralph Borkowski
Michael Bublies
Marion Carstens
Peter Geitmann
Ludwig Ladzinski
Aline Rennebeck
Silke Rudolf
Frank Hermann Straßburger
Die Versichertenberaterinnen und -berater stehen neben den Regionalausschüssen und den Widerspruchsausschüssen als Teil der regionalen Selbstverwaltung für Kundenorientierung und Versichertennähe. Im Jahr 2023 waren rund 700 Versichertenberaterinnen und -berater im ganzen Bundesgebiet in 53 Bezirken (Geschäftsstellenbereiche) ehrenamtlich tätig. Zusätzlich zu den Auskunfts- und Beratungsstellen bieten sie im Rahmen von Beratung und Betreuung einen umfangreichen Versichertenservice an. Analog zu den Versichertenberaterinnen und -beratern geben 10 Versichertensprecherinnen und -sprecher zur Renten-Zusatzversicherung Auskunft und unterstützen die Versicherten in der Branche „Bahn“.